Paderborn (WB). Kaum zu glauben, dass dieser Yuri Alexander Hanssen, ein gebürtiger Kubaner, erst 17 Jahre alt ist. Zum einen ist er mit 1,88-Meter-Körpergröße und 90 Kilogramm Gewicht ein Modellathlet, zum anderen präsentiert sich Hanssen sehr reif, reflektiert und drückt sich gewählt aus. Nach zwei Jahren im Sportinternat Paderborn, in das er 2017 als Baseballer gekommen war, zieht das Multitalent weiter nach Winterberg. Mit dem Ziel, als Bobfahrer durchzustarten.
»Im Weltcup zu fahren wäre cool. Ich bin in Kuba aufgewachsen und mit zwölf Jahren zu meinem Vater nach Berlin gezogen. Die Anfangszeit war für mich sehr schwer. Ich habe kein Deutsch und nur wenig Englisch gesprochen. Also musste ich zwei Sprachen gleichzeitig lernen«, berichtet Hanssen, den es in Berlin zunächst zur Leichtathletik zog, bevor er den Baseball für sich entdeckte: »Baseball ist Nationalsport bei uns in Kuba, deshalb war das für mich sehr spannend. Zudem waren beim Training viele Latinos, mit denen ich mich gut verständigen konnte.«
Training vor der Schule – morgens um 5 Uhr
Der Baseball entwickelte sich fortan zur großen Leidenschaft Hanssens, der speziell gefördert wurde. Das hatte zur Folge, dass die ersten Trainingseinheiten bereits um fünf Uhr morgens anstanden – vor der Schule. Die Qualen sollten sich allerdings schnell auszahlen. Mit 15 Jahren wurden nämlich die Untouchables Paderborn auf den kräftig gebauten Athleten aufmerksam, der in der Hauptstadt auch für die U14 des achtfachen Deutschen Basketballmeisters Alba Berlin auflief. »Als das Angebot kam, wusste ich erst nicht genau, was ich machen soll. Schließlich bin ich kurz zuvor erst nach Berlin zu meinem Vater gezogen. Als ich dann allerdings nach Paderborn gekommen bin und mir alles angeschaut habe, war mir klar, dass ich diesen Schritt gehen will«, erklärt Hanssen, der hier die Lise-Meitner-Realschule besuchte, NRW-Sportschule und Partnerschule des Sportinternats.
Das Wagnis Ostwestfalen sollte sich schnell lohnen. Hanssen fand bei den Untouchables sofort Anschluss und wurde im Jahr 2017 mit der U18 der U’s Deutscher Meister. Neben seinen Baseball-Aktivitäten probierte sich der Youngster auch immer wieder in der Leichtathletik aus. Möglich machte es die Nähe vom Ahorn-Ballpark zum nahe gelegenen Ahorn-Sportpark, in dem unter anderem die Leichtathleten des LC Paderborn trainieren.
Auf Anhieb Westfalenmeister im Sprint
»Als wir beim Baseball Winterpause hatten, habe ich regelmäßig beim LC mittrainiert und dann auch an Wettkämpfen teilgenommen. Das hat sofort richtig gut geklappt, und ich habe einige erste Plätze eingefahren.« Auf Anhieb wurde er zweifacher Westfalenmeister. Dann stand die Entscheidung an, ob es mit Baseball oder mit der Leichtathletik weitergeht. »Schließlich habe ich mich für den LC entschieden«, so Hanssen, der die Entscheidung nicht bereuen sollte – im Gegenteil!
2018 sicherte sich der Jungspund unter anderem den Titel bei den U18-Westfalenmeisterschaften über 200 Meter in 22,88 Sekunden. »Yuri hat uns von Beginn an überzeugt, auch wenn sein Stil zu Anfang technisch noch überhaupt nicht ausgereift war. Leider hat er sich jetzt zweimal zu Saisonbeginn einen Muskelfaserriss zugezogen, sodass er sein volles Potenzial noch nicht ausschöpfen konnte«, erzählt LC-Sprintcoach Thomas Prange, der die Entscheidung Hanssens, zum Bobsport zu gehen, unterstützt: »Im Bob kann man schneller international vorne mitmischen. Zudem hat Yuri einen Hang zum Muskelaufbau, was ihm beim Bobfahren helfen wird. Ich habe noch nie einen Athleten gesehen, der bei den Anschubtests auf Anhieb eine solche Leistung gezeigt hat.« Ein fettes Kompliment. Immerhin hat Thomas Prange unter anderem schon Joshua Bluhm trainiert, der als Anschieber 2017 Weltmeister im Viererbob wurde.
»Lehrreiche Zeit« in Paderborn
Seine Zeit in Paderborn beschreibt Hanssen, der im Sauerland sein Fachabi absolvieren will, als »sehr lehrreich«. Vor allem das Internat hat bleibenden Eindruck hinterlassen. »Wir haben hier schöne große Einzelzimmer, das Essen ist gut, und es macht viel Spaß mit den Jungs«, sagt Hanssen. Die Sportstiftung NRW unterstreicht die Aussagen des jungen Sportlers und bescheinigt der Initiative des Forums Paderborner Spitzensport ein »Top-Level«.
Verantwortlich für das Internat, in dem 42 Sportler Platz finden, ist seit Anfang des Jahres der Diplom-Sozialpädagoge Matthias Hellmig. »Unser Fokus liegt darauf, eine Balance zu finden zwischen dem Sport, der Schule und der Persönlichkeitsentwicklung der einzelnen Sportler«, erklärt Hellmig, der dieses ehrgeizige Ziel rund um die Uhr mit insgesamt 20 Mitarbeitern verfolgt. Yuri Hanssen wird dem Leiter definitiv fehlen. »Yuri war ein wichtiger Baustein bei uns im Internat. Er hat die anderen Jungs mit seiner starken Persönlichkeit geführt. Ich bin mir sicher, dass er seinen Weg gehen wird.«
Dieser Weg führt Hanssen zunächst ins Sauerland und soll, wenn es nach ihm geht, nicht dort enden. »Im Weltcup zu fahren wäre cool. Die ersten Tests sind sehr gut gelaufen. Ich freue mich auf die neue Herausforderung.«